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Das Engadinprojekt
Die Geschichte des Engadinprojektes

 

Die Idee einer selbstverantworteten, thematischen Ausstellung entstand während der Veranstaltung „Im Theater“, organisiert von „Büro Berlin“ im August 1983.

 

Ansätze und Positionen aus den vergangenen Büro-Berlin-Projekten, z.B. Formen der Selbstorganisation oder der Versuch, Kunstwerken präzise und verbindliche Orte zu geben, sollten weitergeführt und vertieft werden. Ich plante eine beispielgebende Ausstellung, sowohl was die inhaltliche Notwendigkeit und die optische Präsenz, als auch die organisatorische Durchführung betraf. Exemplarisch sollte die Zusammenarbeit der Künstler sein, die Kunstwerke sollten aufeinander verweisen, d.h. in direkter Beziehung stehen; die einzelnen Kunstwerke sollten demnach nicht austauschbar sein, sondern Lösungsvorschläge zu vorgegebenen Fragen.
Ich entschloß mich zu einem Ausstellungsmodell in Form von Auftragsvergaben. Ich informierte acht Künstler, deren Arbeiten ich damals schätzte und deren Bereitschaft zu solch einem Projekt ich voraussetzte:

Bogomir Ecker, Düsseldorf; Thomas Huber, Düsseldorf; Rudolph Herz, München; Harald Klingelhöller, Düsseldorf; Raimund Kummer, Berlin; Thomas Lehnerer, München; Wolfgang Luy, Düsseldorf; Hermann Pitz, Berlin; Nach Rücksprache wurde für den 8.10.1983 ein Treffen in Düsseldorf vereinbart.

Dort unterbreitete ich meinen Vorschlag: Als Auftraggeber für eine entstehende Ausstellung wies ich jedem Künstler eine präzise Aufgabe zu; den Entwurf und die Ausführung eines Kunstwerkes, mit einer thematischen Vorgabe. In ihrer Gesamtheit sollten die Aufrührungen ein bildhaftes Ensemble ergeben. Obwohl die Auftragsvorschläge mit meinen Vorlieben verknüpft waren, versuchte ich, den Arbeitsweisen der inhaltlichen Bestimmung der einzelnen Künstler gerecht zu werden.

Mein Anliegen wurde in dieser Form akzeptiert: die ersten unterbreiteten Aufträge diskutiert, einige modifiziert und neu formuliert. Wir beschlossen einen einwöchigen Arbeitsaufenthalt (13.-19. Dezember) in dem Engadiner Haus von Thomas Huber. Das Projekt sollte dort seine endgültige Fassung erhalten. Zuvor sollte über briefliche Kontakte der Versuch einer größtmöglichen Klarheit herbeigeführt werden. Nach dem Treffen erstellte ich eine Zusammenfassung, die allen beteiligten Künstlern zugesandt wurde:

 

„12.10.1983

Projekt für eine Ausstellung
(Oktober/November 1984 in München)

Arbeitstitel: Aufträge

Stephan Huber vergibt an acht Künstler jeweils einen Auftrag für ein Kunstwerk. Die Aufträge in ihrer Gesamtheit umgrenzen die Vorstellung eines fiktiven Weltbildes, das sich aus den Vorlieben des Auftraggebers ergibt. Die Aufträge sind so gehalten, dass sich nicht zwangsläufig eine Visualisierung der Vorstellung des Auftraggebers ergibt…
Der Auftraggeber hält sich – nach dem Stand der jetzigen Dinge – frei, selbst eine Arbeit in den Gesamtkontext einzubringen.

Der Auftraggeber hat den acht Künstlern folgende Vorschläge gemacht:
Hermann Pitz: Entwurf (und Teilrealisierung) für ein Haus der Ruhe.
Thomas Huber: Rede über die Ehe.
Bogomir Ecker: Vorschlag zur Organisation der nächsten, privatesten Dinge.
Raimund Kummer: Entwurf (und Teilrealisierung) für eine neue Fabrik.

Harald Klingelhöller: Die Arbeit an der Konstruktion des idealen Menschen.
Wolfgang Luy: Gebaute Gesprächssysteme.
Thomas Lehnerer: Denkmal des guten Glücks.
Stephan Huber: Wärme als zeitgemäße Haltung.
Rudolph Herz: Eine theoretische Arbeit (Freizeit als zentrales Arbeitsproblem).

… Die Aufgabe des Auftraggebers wird es sein, die Arbeiten miteinander zu verknüpfen, so dass ein großes ideelles (und auch skulpturales) Gebäude entseht.

 

Kummer, Klingelhöller und Herz waren mit den Aufträgen nicht einverstanden: Bis zum Engadin sollte in gemeinsamer Abstimmung eine Neuformulierung erfolgen.
Wir waren uns einig, dass die Ausstellung von einem Museum oder einer anderen kulturellen Institution mitgetragen werden könnte.
 

Zwischen dem Düsseldorfer Treffen und den Engadiner Tagen wurden von mir vier Mitteilungen an die Künstler versandt, in denen ich einerseits versuchte, eine Begründung für die Notwendigkeit dieser Ausstellung zu formulieren, andererseits den Stand der organisatorischen Arbeit darlegte.

Beispielhaft sei aus zwei Briefen zitiert. Aus der Mitteilung Nr. 3 vom 1.11.1983:

 

„… Angenommen, ich will ein Haus bauen, suche ich mir – in Kenntnis meiner begrenzten Fähigkeiten – Personen, die in der Lage sind, Arbeiten auszuführen, denen ich nicht gewachsen bin. Ich trete mit meinem Problem an diese Personen heran, ich werde deren Vorschläge entgegennehmen. Diese Personen sind von mir bewusst ausgewählt, ich setze in sie große Erwartungen.

… Meine Weltsicht (ist) nicht homogen, eingebettet in einen klaren ideologischen Kontext: Ich bin eher Flaneur innerhalb verschiedener philosophischer Theoreme:

… Gerade aus diesem Defizit einer mangelnden umfassenden Weltsicht resultiert mein Interesse, mit Hilfe anderer ein großes ideelles Gebäude zu erstellen…“

 

Aus der Mitteilung Nr. 1:

„… Erstes Sondierungsgespräch mit Lenbachhaus: Geld scheint möglich, Raumfrage ist jedoch schwieriger. Kunstforum ist zu haben, soll aber, wie in Düsseldorf besprochen, Notlösung sein. Der unterirdische Riesenraum (Königsplatz) könnte, mit großen organisatorischen Schwierigkeiten, ebenfalls eine Möglichkeit darstellen. Genaueres ist erst zu erfahren, wenn Dr. Zweite von seiner Reise zurückgekehrt ist…“

 

Kurz vor unserer Reise versandte Thomas Huber einen Brief mit einigen topographischen und kunstgeschichtlichen Anmerkungen zum Ort unseres Treffens:

„…in Zuoz, Oberengadin, Kanton Graubünden, Schweiz, 1750 M.ü.M.

… Architektonisch einheitliche Bauweise aus dem 17. Jh: das Engadinerhaus, wir werden in einem solchen wohnen. Schweizer Nationalpark. Überreste römischer Straßenbauten. Giovanni Segantini: Maler des Symbolismus auf dem Muotas Muragl. Segantiniwege und Segantinimuseum in St. Moritz. Friedrich Nietzsche in Sils Maria, Nietzsche-Museum daselbst. Heimat der Künstlerfamilie Giacometti mit Geburtshaus und Grabstätte im Bergell…“

Zwischenzeitlich teilte mir Rudolph Herz mit, die Form seines Auftrages (eine theoretische Arbeit) entspreche nicht seinem momentanen Interesse. Eine Einigung war nicht möglich, da ich auf eine theoretische Schrift innerhalb unseres Auftragsmodells nicht verzichten wollte. Rudolph Herz zog seine Zusage zur Mitarbeit an diesem Projekt zurück.

 

Das Treffen im Engadin dauerte vom 13. bis zum 19. Dezember 1983. In den ersten Tagen wurde die Konstruktion der Ausstellung, d.h. der Vorgang der Auftragsvergabe, die Rolle des Auftraggebers und die Prägnanz der einzelnen Aufträge besprochen. Wir einigten uns auf ein architektonisches, bildhaftes Ensemble, in dem die einzelnen Kunstwerke miteinander verbunden, zum Teil ineinander übergehen sollten. Drei Aufträge (Kummer, Klingelhöller und Thomas Huber) wurden geändert. Nach zwei Tagen zeichnete sich ein Minimalkonzept ab:

Der Auftraggeber sollte einen betretbaren Balkon erstellen, von dem die gesamte Ausstellung zu überblicken ist.

Der vorläufige Titel der Ausstellung lautet PRIVAT. Die beteiligten Künstler waren der Ansicht, vor allem die subjektive Struktur der Aufträge sollte herausgestrichen werden.

Die Aufträge lauteten:

Ecker: Organisation der privatesten Gegenstände.

Th. Huber: Die Vorbereitung eines Festes.
Kummer: Transit (eine akustische Arbeit).

Lehnerer: Ein Denkmal des Glücks.
Klingelhöller: Ein Ort der Gemeinschaft.
Pitz: Das Haus der Ruhe.

Luy: Die Darstellung eines Gespräches.
Am dritten und vierten Tag in Zuoz begannen wir an der Visualisierung der Ausstellung zu arbeiten. Die skulpturale Umsetzung der einzelnen Aufträge wurde diskutiert. Erste Pläne wurden entworfen, Zeichnungen angefertigt.
In dieser Phase der modellhaften Realisierung erfuhren die Aufträge unter Hinzufügen ihrer Erscheinungsform (z.B. Bogomir Ecker: die Organisation der privatesten Gegenstände: EIN SCHRANK) ihre genaue Bezeichnung.
Ein kleines provisorisches Modell wurde gebaut, Skizzen von den verschiedenen Standpunkten des möglichen Raumes angefertigt. Die Ausstellung erhielt ihr Gesicht. Ein Text  wurde erarbeitet, der den Stand der Dinge festhielt und die ersten Lösungsvorschläge der Aufträge beinhaltete:

 

„PRIVAT ein Ausstellungskonzept für München (Nov. 1984)

Eine Person (Stephan Huber) vergibt

Aufträge

An sieben Künstler.

Bogomir Ecker, Düsseldorf

Thomas Huber, Düsseldorf

Harald Klingelhöller, Düsseldorf

Raimund Kummer, Berlin

Thomas Lehnerer, München

Wolfgang Luy, Düsseldorf

Hermann Pitz, Berlin

Die Aufträge und deren Ausführungen sind so gehalten, dass ein inhaltliches, d.h. formales Gesamtgefüge entsteht…

 

Gegenstand des Projektes ist eine Ausstellung, deren Struktur durch eine klare Verteilung von Aufträgen und Zuständigkeiten Transparenz gewährleistet. Diese Struktur hat sich, sowohl bildhaft als auch real in dessen Endprodukt darzustellen. Das von Stephan Huber zur Erreichung dieses Zieles vorgeschlagene Auftragsmodell wurde von allen Beteiligten als effektiv anerkannt…

Alle Bearbeitung der Aufträge werden als Maximalkonzepte entwickelt, Stephan Huber versucht die Finanzierung zu sichern…

Alle Beteiligten gehen davon aus, dass die Schlüssigkeit und Gesamtheit dieses Projektes in einer „intuitiven Phantasmalogie“ Stephan Hubers existiert. Diese Phantasiewelt, die sich in der Form seiner Aufträge äußert, erfüllt sich in der bildhaften Realisierung des Projektes. Dies visionäre Kraft, welche dieser „Phantasmalogie“ zugrunde liegt, wird sich dann zeigen.
 

“Ich bin Flaneur zwischen verschiedenen geistigen Theoremen, verspüre aber bei aller Darstellung, die mir begegnet, einen Mangel an Verbindlichkeit, sei dies wegen ihrer monadischen Struktur, sei es durch die Beliebigkeit ihrer Zuordnung.
Ich weiß von den Saint-Simonisten, dass sie Kleider so entworfen haben, dass sie nur von hinten zuzuknöpfen waren, um beim Ankleiden sich immer bewusst zu werden, nicht als einzelne existieren zu können“ (Zitat aus einem im Engadin entwickelten Statement).
Aus der Erkenntnis dieses Mangels erscheint auch eine kollektive Erstellung einer ästhetischen Form wünschenswert und möglich. Es kann aber nicht darum gehen, dass einzelne zur Realisierung eines egozentrischen Bildes benutzt werden, sondern es geht um die Realisierung des Bildes der Gemeinschaft. Es geht um die Wahrheit eines Bildes.

 

Die Aufträge:

 

Der Auftrag an

Thomas Huber: Die Vorbereitung des Festes; in Bild.

Raimund Kummer: Transit; ein Klang.

Bogomir Ecker: Organisation der privatesten Gegenstände; ein Schrank.

Thomas Lehnerer: Darstellung des guten Glücks; ein Denkmal.

Harald Klingelhöller: Darstellung eines Ortes der Gemeinschaft; ein Platz.

Hermann Pitz: Darstellung des Hauses der Ruhe; ein Gebäude.

Wolfgang Luy: Gesprächsfragment; ein Gebälk.

Die Aufgabe, die sich Stephan Huber selbst gegeben hat, lautet: Das Überschaubare; ein Balkon.

 

Die Aufgabe, die sich Stephan Huber selbst gegeben hat, lautet: Das Überschaubare; ein Balkon.

 

Die Präzisierungen:

Bogomir Ecker: Die privatesten Gegenstände werden in einem Schrank organisiert/aufbewahrt sein. Der Schrank wird zum Teil begehbar sein, ausgestattet mit beweglichen Türen, sich ergebenden Durchblicken und Öffnungen. Der Schrank wird die ungefähren Maße von 5x2 Meter und 3 Meter Höhe besitzen. Alles Nähere, sowohl die Auswahl der privatesten Gegenstände (B. Eckers Gegenstände) wie deren Realisierung/Organisation im Schrank, sowie dessen Erscheinung ergibt sich aus der Bogomir Ecker eigenen Form.

Thomas Huber: Von ihm wird ein Fest vorbereitet werden, unter Umständen durchgeführt werden. Hier sei aus einem Vorentwurf von Thomas Huber zitiert: „Ein Fest wird vorbereitet. Das Fest ist ein Bild, das Bild, das ein Gemeinwesen von sich entwirft. Darum ist die Vorbereitung eines Festes das Malen eines Bildes. Malerei ist jetzt wiedergewonnen in dem Erfülltsein von der Vorfreude auf ein Fest, das man mit schönen Gedanken und eifrigem Tun plant. Jetzt gibt es keine Kunstbetrachter mehr, aber Gäste, die zum Fest zum Bild geladen werden. Tische werden vor dem Bild aufgestellt. Das Bild zeigt ein Picknick im Grünen, weißes Tuch auf grüner Wiese, Gedecke darauf, Speisen und Getränke sinnfällig angeordnet“

Raimund Kummer: wird eine Klangspur erstellen, die sich bewusst gegen den sehr geschlossenen Charakter der Ausstellung setzen wird. Es wird wahrscheinlich nichts sichtbar sein, d.h. eine akustische Arbeit entsteht. Als Beispiele wurden genannt ein Schnellzug (TGV Paris – Lyon) oder ein Eisschnelläufer.

Wolfgang Luy: wird eine Skulptur erstellen, die sich ungefähr in der halben Raumhöhe befindet. Als Beispiel wurde hier genannt ein umgekehrter Tisch mit darauf abgestelltem, d.h. befestigtem (Sitzfläche auf Tischfläche) Stuhl, sowie eine durch den Tisch laufende Treppe, bzw. Treppenfragment. Der Tisch wird an der Decke befestigt sein. Diese Skulptur soll in Beziehung zu dem Gesamten auf dem Boden, wie zu dem Balkon von Stephan Huber stehen, dennoch autonomen Charakter besitzen…

Thomas Lehnerer: wird ein Denkmal erstellen, welches in der äußeren Form eine Holzkonstruktion zeigt, als Art Umhüllung bzw. Schutz (z.B. Winterumschützung). Diese Konstruktion wird betretbar sein. Von oben ergibt sich ein Einblick in das Innere der Konstruktion (das eigentliche Denkmal), welches einen Pelikan zeigt, der sich das Herz herausreißt, um seine Jungen zu ernähren. Diese Skulptur (ca. 1 Meter Höhe, 18. Jahrhundert) ist von innen an der Holzummantelung befestigt, d.h. ein Sockel existiert nicht.

Hermann Pitz: Das Haus der Ruhe wird einen dreieckigen Grundriss haben, mit den ungefähren Maßen 8x7x6 Meter: Durch Fenster bzw. eine 15 Zentimeter breite Öffnung werden Teile dieses Hauses einsehbar sein, andere Teile nur erahnbar. Das Haus hat eine Höhe von 350 Zentimetern. Hermann Pitz wird in der ihm eigenen Form Teile des Hauses (innen) dekorieren. Das Haus ist an keiner Stelle betretbar.
Harald Klingelhöller: wird seinen Gemeinplatz als Mosaik erstellen. Der Platz wir einen ungefähren Durchmesser von 6 Metern haben und unter Umständen eine Kreisform besitzen. Die engere Thematik, in Form einer Metapher, steht noch nicht fest, hieraus leitet sich letztlich die gesamte Realisierung ab; wahrscheinlich wird der Platz jedoch zugleich Boden für eine seiner Skulpturen sein. Die Skulptur und der Platz werden dann in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen: Das eine ergibt sich aus dem anderen. Im nachfolgenden (möglichen) Grundriss ist dies durchgespielt, anhand seiner Arbeit „Das Ende des Tunnels“.

Stephan Huber wird an einer Wand, in ca. 4 Meter Höhe, des Ausstellungsraumes einen Balkon errichten. Dieser Balkon sollte nur von außen betretbar sein. Der Balkon ergibt die Möglichkeit des Überblicks über die Ausstellung. Auf der Brüstung des Balkons, der in etwa heutigen Fertigbaubalkonen entspricht, wird wahrscheinlich ein Wasserspiel in Form eines Brunnens stehen, welches ein metaphorisches Modell der ganzen Ausstellung zeigt…“

 

Die Grundstruktur unserer gemeinsamen Ausstellung war erarbeitet. In weiteren Briefen sollten Einzelfragen geklärt werden. Die endgültigen Realisierungsvorschläge (Größe, Material usw.) sollten ausgearbeitet werden. Zurück in München, begann ich mit der Organisation: Ein Gespräch mit Dr. Zweite ergab, dass die Ausstellung unter der Ägide des Lenbachhauses stattfinden kann, ein Teil der Finanzierung war gesichert, Anträge für die Nutzung des Raumes unter dem Königsplatz wurden gestellt, Sponsoren gesucht usw.

 

Zur selben Zeit wurden Teile des gemeinsam erarbeiteten Konzeptes erneut hinterfragt, alternative Formulierungen beantragt, Fehlendes sollte ersetzt werden, scheinbar Unklares gestrichen. In einem Brief forderte z.B. Thomas Huber, dass der Text viel stärker die Darlegung ausgehaltener Widersprüche beinhalten müsse, vor allem was meine Rolle als Auftraggeber betraf:
“…Selbst meint ich anfänglich, wie die anderen ja auch, Du müsstest als Auftraggeber deutlicher werden. Dagegen hast Du dich gewehrt. Aus der jetzigen Sicht empfinde ich es als richtig. Nun sollte zum Ausdruck kommen, dass Du die Rolle nicht widerspruchsfrei spielen kannst, der Text, soweit ich mich erinnern kann, tut dies nicht…“

Von fast allen Beteiligten wurden Zweifel laut. Auf Grund der noch vorhandenen oder wieder auftretenden Unsicherheiten war eine genauere Darlegung meines Interesses an diesem Ausstellungsmodell der allgemeine Wunsch. In der Mitteilung Nr. 6 vom 21.1.1984 versuchte der Auftraggeber, nochmals seine Beweggründe zu verdeutlichen:

 

„1.

Es gibt keine festgelegten, konkreten Orte mehr für Kunstwerke, dies bedeutet, dass es keine äußere Notwendigkeit für eine künstlerische Arbeit mehr gibt. Dafür wurden „abstrakte“ Orte eingerichtet, Ersatzorte wie Museum, Kunstverein oder Galerie, an denen Kunstwerke stehen und für die Kunstwerke gemacht werden.

2.

Wir begegnen hier einem Defizit, ich glaube, daraus resultiert unser Unbehagen gegenüber gängigen Ausstellungen: Wir unternehmen Versuche, dieses Fehlen des konkreten Ortes zu überwinden…

3.

Ich erstelle nun eine äußere Notwendigkeit…Ich erteile Aufträge… Weiter stelle ich den Raum, das Geld und den Komfort zur Verfügung. Ich bin bestrebt, dass alle Arbeiten nach dem exemplarischen Zeigen gemeinsam an einen Ort übergehen, wo sie auf Dauer sein werden, d.h. besichtigbar sind.

4.

Aus der Ortlosigkeit des Kunstwerkes ergibt sich fast zwangsläufig die Haltlosigkeit des Künstlers, eben auf Grund der fehlenden Vorhaben und damit auf Grund der fehlenden Verbindlichkeit. Dies hat das Beliebige, das Austauschbare zur Folge. Ich kann jede Arbeit überall zeigen, jede Arbeit besitzt überall die gleiche Wertigkeit. Sind keine Vorgaben mehr zu erfüllen, gibt’s auch keine Verifizierung. Was nun im Besonderen aufgeführt wurde, gilt auch im Allgemeinen:

Die Haltlosigkeit des Menschen ist verknüpft mit der Auflösung verbindlicher Orte. Solche Orte waren zum Beispiel Haus, Heimat, Ehe, die in ihrer monolithischen Gestalt ersetzt wurden durch Handlungsformen wie „aus dem Koffer leben“, „cosmopolitisch sein“, damit ihre Aufhebung erfuhren. Das Private („meine Heimat“) wird aufgelöst in eine öffentliche Form („in diesem unseren Land“). Ich lamentiere hier nicht über den Verlust von inhaltsleer gewordenen Orten, sondern über die Aufhebung von Spezifika, von begrenzten verbindlichen Begriffen und Vorstellungen in einen scheinbaren kollektiven Konsens, der in seiner soßigen Form nichts Unterscheidbares mehr besitzt…

5.

Ich nehme eine Aufgabe wahr (wenn auch eine selbstgestellte), die über mein anfängliches Interesse, mir selbst einen Platz für mein Kunstwerk zu schaffen, hinausweist. Wir entwirren  aus der großen ortslosen Soße einzelne Orte, denen Bedürfnisse zugrunde liegen, stellen diese Orte in klaren Umrissen her und geben ihnen eine absolute Verbindlichkeit. Dass Bedürfnisse vorhanden sind und nur nicht formuliert oder eingelöst werden können, zeigt sich an den oben erwähnten Eratzorten, in denen nichts anderes als die psychische Ineffizienz des verbindlichen Ortes an Licht tritt. Das Thema, die inhaltliche Bestimmung der Ausstellung ist das Erstellen verbindlicher Orte, somit ein Ansatz für einen Entwurf einer menschlichen Ordnung… jede einzelne Arbeit soll exemplarischen Charakter besitzen. Hieraus ergibt sich für mich folgende Bewertung der Aufträge:

a)      Der Schrank: Das Bedürfnis nach privater Ordnung.

b)      Das Haus der Ruhe: Das Bedürfnis nach Selbstbesinnung und Erkenntnis.

c)      Das Gesprächssystem: Das Bedürfnis nach Mitteilung und Verifizierung.

d)      Das Denkmal: Das Bedürfnis nach Beispielhaftigkeit.

e)      Das Fest: Das Bedürfnis nach Lust und Erbauung.

f)       Der Gemeinplatz: Das Bedürfnis nach Einbindung.

g)      Die Bewegung: Das Bedürfnis nach Veränderung…“

 

In derselben  Mitteilung erörterte ich die Möglichkeit, die Kunstwerke nicht als ineinandergreifendes Ensemble zu präsentieren, sondern als Abfolge z.B. in einer Reihe oder im Kreis, wie einzelne, nebeneinander gestellte Lehrstücke. Ebenso wie einige Beteiligte, die in Gesprächen oder brieflich neue Ansätze bzw. eine andere Struktur forderten, wich ich ab von den im Engadin als verbindlich anerkannten Vorgaben. Die Reaktion fast aller Beteiligten auf die veränderte Präsentationsform war negativ. Ich zog den Vorschlag schließlich zurück. Meine Zweifel an meiner Rolle als Auftraggeber nahmen im selben Maße zu wie die Verunsicherung der Künstler über die Sinnigkeit unseres konstruierten Ausstellungsvorhabens.
Je weiter das Engadintreffen zurücklag, desto größer das allgemeine Unbehagen.

 

Für den 9./10. Februar 1984 wurde in Düsseldorf ein Treffen vereinbart. Bereits nach kurzem Gespräch ergab sich, das Projekt in dieser Form nicht durchzuführen: ein Künstler war nicht bereit, unter den damaligen Prämissen sich an der Ausstellung zu beteiligen, ein allgemeines Unwohlsein über die Vagheit des Auftragmodelles, der thematischen Vorgaben und des Raumes waren bei allen Beteiligten vorhanden. Aus dem Gedächtnisprotokoll des Düsseldorfer Treffens:

 

„…
Einigkeit bestand

a)      am Interesse eines Auftragmodelles

b)      an der festgelegten Person Stephan Huber als Auftraggeber

c)      an der personellen Zusammensetzung und an dem Wunsch, eine gemeinsame Ausstellung durchzuführen.

Am Morgen des 10. Februar bahnte sich folgende Lösung an: Unter Einbeziehung der Tatsache, dass Auftragsarbeiten einen längerfristigen, festen Ort benötigen, der eben nicht neutral ist, unter Einbeziehung der Tatsache, dass Auftragsarbeiten zweckgerichtet sind, ergibt sich folgender Vorschlag an das Lenbachhaus:
Das Lenbachhaus kauft von Stephan Huber Arbeiten aus dem Zyklus „Arbeiten im Reichtum“ (auch eine Leihgabe bzw. Schenkung ist denkbar), das Lenbachhaus bestimmt einen seiner Sammlungsräume, in dem diese Arbeiten ausgestellt werden. Nun entwickeln sich die Aufträge… Stephan Huber erteilt Harald Klingelhöller z.B. den Auftrag, einen Mosaikboden zu schaffen, der genau auf die dort präsentierte Arbeit zugeschnitten ist. Ebenso verfährt Stephan Huber mit den anderen Beteiligten… Die konkreten Aufträge sind abhängig von den Kunstwerken, die in diesem Raum gezeigt werden… Der Raum in seiner Gesamtheit wird das Thema Arbeit behandeln. Mit diesem Modell erklärten sich alle einverstanden. Bevor eine Präzisierung der Aufträge stattfindet, muss zuerst ein Gespräch mit Dr. Zweite geführt werden, inwieweit LB an diesem Modell interessiert ist…“

Ich griff den Düsseldorfer Vorschlag nicht mehr auf, von den Künstlern kamen keine Nachfragen mehr. Das Projekt endete hier.

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