„Die Karte ist interessanter als das Gebiet”, lautet ein zentraler Satz in Michel Houellebecqs Roman Karte und Gebiet, in dem ein Künstler unter anderem durch den verfremdeten Einsatz von Michelin-Karten zu internationalem Ruhm kommt. Noch pointierter formuliert sich dieser Ansatz, wonach schlussendlich das Zeichen (die Karte) wichtiger wird als das, was es bezeichnet (die Realität, das Gebiet, die Welt), in einer der vertrackten philosophischen Erzählungen von Jorge Luis Borges. In „Von der Strenge der Wissenschaft“ erzählt der Autor von einem Volk, das auf der Suche nach einer absolut exakten Vermessung des eigenen Staates eine Karte anfertigt, die genauso groß ist wie das Gebiet, das sie bedeckt. Kartografie, soviel wird schon hier deutlich, ist ein paradoxes Terrain par excellence. Und damit das perfekte Spielfeld für Stephan Huber, diesen barock-bajuwarischen Erfinder lauter widersprüchlicher, paradoxer, hochemotionaler und zugleich hochanalytischer Bildwelten mit einem starken Drang zu Pathos und kalkulierter Überwältigung. Bei diesem Mann drängt alles zur Oper der großen Gefühle und Gesten, zu Hybridisierungen und Vermischungen der Genres und Stile. Seine Arbeiten quellen über vor Lust an der Inszenierung, vor Lust an Bedeutungsvielfalt.
Im Glauben an die unauslotbare Vielschichtigkeit des Wirklichen erweist sich Huber als Erbe einer Dialektik der Aufklärung, die gelernt hat, die Brüchigkeit eines rein rationalen Diskurses und die Wirkmächtigkeit des Verdrängten als Fundament für die eigenen Strategien zu benutzen, die demzufolge statt auf Eindeutigkeit stets auf Ambivalenz und surrealismusgespeiste Doppelbödigkeit setzen. Dennoch oder gerade deswegen gibt es einen stark entwickelten systematischen Impuls im Werk des Künstlers, der sich nicht zuletzt in einem präzise ausgewählten „Musterkoffer“ künstlerischer Elemente und Topoi äußert, als da beispielsweise wären: Berge, Türen, Kronleuchter, Hüte, Skelette, Koffer, Schubkarren, Ziegelsteinwände und eben und vor allem: Landkarten. Dabei operiert dieses Werk immer in einer Doppelstrategie. Zum einen, als Metaphern und Symbole im kollektiven Gedächtnis überdauert haben. Zum anderen bedient es sich aus dem Reservoir der eigenen biografischen Erfahrungen. Es ist diese Verbindung aus kollektiver und individueller Geschichte, die Hubers Werk anstrebt, eine Kartierung der Welt, in der das Persönliche und das Abstrakte sich permanent zu einem „Theatrum Mundi“ verbinden, das stets um die Scheinhaftigkeit dessen weiß, was wir so vorschnell Realität nennen. So ist es die Sehnsucht dieses Kartografen, eine Karte zu entwerfen, in der sich Fiktion und Reales, Persönliches und Allgemeines so vollständig durchmischen, dass Welt und Vorstellung nicht mehr sauber getrennt werden. Nun hat Stephan Huber also Wien kartiert, in der ihm eigenen diskontinuierlichen Logik von Weltvermessung, die immer zugleich psychogeografische Ich-Vermessung ist. Das gelingt in diesem Fall auch deswegen so gut, weil Wien sowohl 1809 wie 1912 ein Ort ist, an dem Regionalgeschichte immer auch Weltgeschichte ist. Die U-Bahn-Station Aspern Nord ist dabei sozusagen der Startpunkt für eine Expedition, an deren Ende so viele Territorien bereist und rhizomatische Verknüpfungen gefunden wurden, dass einem angenehm schwindlig wird und wir uns aufs Schönste desorientiert fühlen dürfen. Diese Arbeit verschmilzt die höchstmögliche zeichenhafte Objektivität, die Landkarten versprechen, mit der kryptischen Subjektivität einer künstlerischen Kartografie, die ebenso daran interessiert ist, die eigenen mäandernden Assoziationsketten und Anregungshintergründe abzubilden. Der Ausgangspunkt ist einerseits Aspern im Jahr 1809, in dem Napoleon seine erste große Niederlage hinnehmen musste, und zweitens Aspern im Jahr 1912, in dem dort damals Europas größter und modernster Flughafen eröffnet wurde. Um diese Epizentren entfalten zwei 10 × 6 Meter große, digital stark bearbeitete Landkarten mit einer irrsinnigen Menge an Fakten, Zahlen und historischen Begebenheiten eine assoziative, immer wieder ins Fiktive gleitende Geschichte Wiens im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Bei den Karten selbst handelt es sich, wie immer bei Stephan Huber, um digitale Collagen hochgenauer amerikanischer Militärkarten. Aber deren Genauigkeit dient vor allem dazu, uns inhaltlich mit einer totalen Überforderung zu konfrontieren. Jeder Anspruch auf Übersicht und schlussendliche Ordnung scheitert hier, und er muss auch scheitern, weil die Objektivität jeder Karte in Wirklichkeit nur ein Phantasma ist. (Merke: Genauigkeit ist der erste Schritt zur Unübersichtlichkeit.)
Um das nachvollziehen zu können, lohnt es, einen Blick zurück auf die Frühzeit kartografischer Welterfassung zu werfen. Der Impuls zu jeder kartografischen Tätigkeit verdankt sich zunächst und wesentlich dem Versuch des Menschen, eine auf ihn bezogene Ordnung der Welt zu entwerfen. Insofern verknüpft sich die Geschichte der Karten einerseits wesentlich mit der Entwicklung eines neuzeitlichen Subjekt- und Raumbegriffs, wie er mit der Renaissance auf den Plan tritt: Erst aus der Wahrnehmung eines sich selbst als Individuum empfindenden Menschen, der die umgebende Welt nicht als objektiv und unveränderbar gegeben nimmt, sondern als perspektivische Projektion, die je nach Standpunkt ihr Gesicht wechseln kann, erlangt das Instrument der Karte seine zentrale Bedeutung. Andererseits erweisen sich geopolitische Veränderungen und Umwälzungen als katalytisch für die Entwicklung neuer Kartensysteme. So repräsentiert der älteste erhaltene Globus, Martin Behaims 1492 fertiggestellter „Erdapfel“, die Summe des damaligen geografischen Wissens genau in dem Jahr, in dem Kolumbus Amerika entdeckte und damit in der Folge für ein völlig verändertes Weltbild sorgte. Die Behaims Weltkugel zugrunde liegende ptolemäische Vorstellung eines sich fast über den ganzen Globus erstreckenden Eurasiens, in dem sich Europa und Asien über den Atlantik hinweg beinahe berühren, war einerseits die Grundlage dafür, dass Kolumbus glauben konnte, auf seiner Seefahrt Indien entdeckt zu haben. Insofern zeigte sich hier die kartografische Macht, Zeichensysteme zu entwerfen, die auch dort Realität vermuten lassen, wo sich keine befindet. Andererseits entzog die Entdeckung Amerikas natürlich dem Behaim’schen Modell den Boden und bewies damit auch das strukturell Trügerische und die Vorläufigkeit einer kartografischen Ordnung.
Das sogenannte „Age of Atlases“, das im späten 15. und 16. Jahrhundert einsetzt, revolutioniert nicht nur das bislang vorherrschende Weltbild, sondern ist auch von dem systematischen Interesse getrieben, die noch vorhandenen Leerstellen vollständig zu tilgen. In diese Zeit fallen Martin Waldseemüllers Karte aus dem Jahr 1507 ebenso wie die berühmten Entwürfe der Kartenmacher Abraham Ortelius aus Antwerpen oder Mercator aus Duisburg. Eine ebenso große Wichtigkeit für die Entstehung neuer Karten kommt dem Krieg beziehungsweise den anschließenden Friedensschlüssen zu. Das gilt für den Westfälischen Frieden von 1648 ebenso wie für den Frieden von Paris 1763 oder die Beschlüsse des Wiener Kongresses im Jahr 1815 und natürlich für das Ende der beiden Weltkriege 1918 und 1945. Die hier entstehenden Kartenwerke sind mehr als Neufassungen von Ländergrenzen. Sie sind der Versuch, aus der im Krieg entstandenen massiven Desorientierung gesellschaftlich verbindliche Orientierungsmuster zu entwerfen. Insofern enthalten sie neben Gebietsbeschreibungen auch Einzeichnungen über Minderheiten, Religionsgemeinschaften oder strittige Abstammungsgebiete. In der notwendigen Detailgenauigkeit, Detailversessenheit kartografischen Vorgehens steckt gleichzeitig ihre Macht wie ihre Ohnmacht. Je genauer eine Karte sämtliche Parameter zu berücksichtigen versucht, umso suggestiver entwirft sie sich selbst als die Wirklichkeit, auf die sie doch eigentlich nur bezeichnend hinweisen kann. Zugleich verschleiert sie damit den herrschaftsorientierten Deutungsimpuls, der ihr stets eigen ist. So ist jede Karte nicht nur die Beschriftung eines neuen Territoriums, sondern immer auch Zeichen seiner realen Okkupierung. Diese machtpolitisch motivierten Fixierungen sind dabei nie als simpler Abdruck, als faktisches Abbild einer real gegebenen Situation zu verstehen, sondern als komplexe Zeichenapparate, in denen sich das Moment der objektivierbaren Übertragung mit Aspekten eines spezifischen Deutungsinteresses und der Projektion überlagert. In der Terminologie Jean Baudrillards wird die Karte damit zu einem „Simulacrum“, einem „Trugbild“, das dem Territorium vorausgeht. „Sie ist es, die das Gebiet hervorbringt.“1 Damit öffnet sich der Blick für die Tatsache, dass jede Karte aufgrund ihrer spezifischen Gleichzeitigkeit von zeichenhafter Abbildung und projektiver Deutung ein Text ist, der nicht nur informiert, sondern auch desinformiert, nicht nur ein Fülle von Sachverhalten verdichtet enthält, sondern auch eine Fülle verweigert. Zudem bietet die Fähigkeit des Kartografen, dreidimensional räumliche Verhältnisse auf eine Fläche zu übertragen, zwar die Möglichkeit, die Welt in der Form einer gleichzeitigen Synopse wahrzunehmen, aber um den Preis ihrer Statik, der Aussparung jeglicher zeitlichen Entwicklung. Insofern produziert gerade die zunehmende Genauigkeit einer Karte ihre zunehmende Unschärfe und ihr schlussendliches Verschwinden. Jede zukünftige Veränderung des Wirklichen destabilisiert den in der Karte enthaltenen Anspruch auf vollständige Welthaltigkeit, der im Grunde bereits zum Zeitpunkt ihres Erscheinens – aufgrund der Ungleichzeitigkeit von kartografischer Erfassung und Erscheinen der Karte – nur eine Behauptung war. Der Machtanspruch des Kartografischen, die Wirklichkeit nicht nur festzuhalten, sondern deutend zu entwerfen, ist so stets untrennbar mit seinem Gegenteil verknüpft, seiner Zerfransung und Auslöschung. 2
Genau dieser Aspekt des Kartografischen: die in ihm enthaltene Möglichkeit zur Desorientierung, zu einem De-Mapping, reizt auch Stephan Huber. Die Karte als Ausdruck einer Unsystematisierbarkeit von Wirklichkeit erscheint in diesem Sinn als produktive Möglichkeit. So führt der Weg von der perspektivischkartografischen Erschließung der Welt seit der Renaissance über die versuchte Tilgung der letzten weißen Flecken in der Epoche der Aufklärung und ihre großen Expeditionen bis hin zu der Erfahrung einer unaufhebbaren Labyrinthik von Welt und Subjekt. Diese wiederum findet in einem Kartenbegriff ihr Gegenstück, wie er von Deleuze und Guattari für die Figur des Rhizoms entwickelt wurde: „In einem Rhizom gibt es keine Punkte oder Positionen [...]. Es gibt nichts als Linien. [...] Wenn die Karte der Kopie entgegengesetzt ist, so deshalb, weil sie ganz und gar dem Experiment als Eingriff in die Wirklichkeit zugewandt ist. Die Karte reproduziert nicht ein in sich geschlossenes Unterbewusstes, sondern konstruiert es [...]. Die Karte ist offen, sie kann in allen ihren Dimensionen verbunden, demontiert oder umgekehrt werden, sie ist ständig modifizierbar.“3 In diesem Sinne sind die Ich-Landkarten, die Huber entwirft, verschwenderisch labyrinthische Rhizome, auf denen der Künstler seine Denk-, Sehnsuchts- und Angst-Kontinente ausbreitet, ohne jede Scheu vor Aporien, Redundanzen und Intimitäten. Das Wunderbare und Perfide zugleich an Stephan Hubers zwei großen Wien-Karten ist, dass wir, als ihre Betrachter und Leser, in dem Moment, in dem wir uns auf sie einlassen, in genau diesen Sog aus Behauptung und Beweis, aus Verortung und Verirrung, aus Phantasmagorie und präziser Benennung gezogen werden, der sich auf ihnen abspielt. Es ist ein Trip, den uns der Künstler anbietet, eine Rei- se durch die Wiener Geschichte, die in dieser Zeit immer auch eine Weltgeschichte ist, und durch den Kopf des Künstlers selbst. So geraten wir auf der Karte von 1809 vom „Schneefall der Geschichte“ (Türkenbelagerungen 1529, 1683) über das „Areal des ewig Militärischen“ (Ludwig von Wallmoden-Gimborn und Karl Philipp zu Schwarzenberg) in ein „kartografisches Bermudadreieck“, in dem alles nur noch „zermürbt“, „verlaufen“, „verletzt“, aufgerieben, einsam und krank ist. Und dazwischen immer wieder der Kartograf: „Hilfe, Hilfe, wo bin ich?“ (dabei ist er doch ohnehin überall auf der Karte anwesend). Wir finden uns wieder auf dem „Territorium der Heilkunst“ und entdecken dort Georg Joseph Beer, der die erste Uni-Augenklinik gründet, aber auch Christoph Hartung, den Wegbereiter der Homöopathie. Es gibt natürlich „Die Gegend des Begründers des Wiener Walzers“, aber auf den beschwingten Dreivierteltakt und das Klassikterritorium von Beethoven, Schubert und Mozart folgt gleich auch das „Areal der Restauration“ und das „Massaker-Territorium“ mit der „Frage des Kartografen: Wo begräbt man 54 000 Menschen, und wie lange dauert dies?“ Und dass die Karte im Areal der Wiener Küche und mit der Erfindung der Sachertorte im Jahre 1832 endet, ist natürlich kein Zufall, sondern spezifisch Huber’sches Verknüpfungsdenken.
Auf der Wiener Karte von 1912 geht es genau so weiter, wobei der Flughafen in Aspern auch insofern eine strukturelle Rolle spielt, als es ja vor allem das Zeitalter der Luftfahrt war, das eine ganz neue, präzise Vermessung der Welt ermöglichte. So starten wir dann auf weit gespannten Bögen ab Juli 1918 zu Postflügen nach Budapest und ab 1922 zu Linienflügen nach Budapest, München und Prag, überqueren das Areal des Neides, das Robert Bárány, dem ersten österreichischen Nobelpreisträger für Medizin gilt („Er, ha! Nein, nein. Er? Nie und nimmer.“), begegnen Alma Mahler, dieser „Sammlerin von Leidenschaft und Macht“, und erreichen ein großes „Areal kämpfender Frauen“ (Margarete Hilferding, Bertha Pappenheim oder Raissa Adler). Schließlich sind wir in der „Wiener Moderne: Areal der ästhetisch hoch verfeinerten Nervosität“ angekommen, das unserem Kartografen „ein Hoch für das Skurrile, das Ironische und das Paradox“ entlockt. Aber Achtung: „die Gesperrte Zone der Vormoderne/ das Historische Geisterbahnareal“ und darin die „Makart’sche Dominanz des Historismus“ sind nie fern. Wie gut, dass es da „Achtung, Achtung: Täglich 14 Uhr“ neue „Ideen zur Weltrettung“ gibt. Und wie fantastisch, dass Ludwig Wittgenstein, der 1912 mit der Arbeit an seinem Tractatus Logico-Philosophicus beginnt, 1911 ein Patent für eine Erfindung am Flugzeugmotor erhält. Ist der Philosoph nicht ohnehin der bessere Pilot durch die Huber’schen Kartenreiche? Der Literaturarchipel mit Doderer, Kraus, Schnitzler, Musil, Joseph Roth stößt auf den Jugendstil Klimts und Schieles und damit auf die These, dass es „nicht auf die Wirklichkeit ankommt, sondern auf die innere Wahrheit“. Bei dieser Reise ins Innere kann Sigmund Freud nur begrenzt helfen. Grimmig grantelt Karl Kraus von hinten „Psychoanalyse ist jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält“, und möchte im Übrigen „den Weg zurück ins Kinderland nach reiflicher Überlegung doch lieber mit Jean Paul als mit Sigmund Freud vornehmen“. Da nickt der Kartograf, der dann aber wieder bemerkt: „Wohnen in Wien: Gleichzeitig im Jahr 1913 beherbergt die Stadt Hitler und Stalin, Franz Joseph und Trotzki. What a mess.“
Am Ende bleiben ein „Dauergefühl Fernweh“ und das Erkennen der „Grenze des Irrglaubens, dass die Ordnung alles durchdringt“. Nein, das tut sie nicht, aber die Unordnung zeigt sich bei Stephan Huber in ihrer humansten Ausprägung, als offenes Ausbreiten des eigenen labyrinthischen Denkens, aus dem eine Welt entsteht, in der nicht kalte, anonyme Strukturen für Bewegung und Veränderung sorgen, sondern die Individuen – mal katastrophal, mal segensreich, aber immer konkrete, individuelle Menschen mit ihren persönlichen Schicksalen. Und diesen setzt Stephan Huber an den Längsseiten der U-Bahn-Station ein Denkmal aus farbigen Lebenslinien. Das Auswahlkriterium für die Personen ist dabei ebenso simpel wie richtig: Die Lebenszeit muss jeweils entweder das Jahr 1809 oder das Jahr 1912 enthalten. Vermerkt wird jeweils der Name sowie das Geburts- und Sterbedatum. Dabei transformieren sich die Farblinien im Blick aus den ein- und ausfahrenden Zügen zu einem verwischten Farbflimmern, dessen scheinbare Bewegtheit zugleich wie eine Spiegelung des Lebenszyklus zwischen Geburt und Tod wirkt. Die Personen, die sich hinter diesen monochromen Linien verbergen, hat Huber getreu seiner individuell-allgemeinen Perspektive zusammengestellt und dabei Weltberühmtheiten mit heute fast vergessenen und/oder nur lokal bekannten Namen verknüpft. Franz Grillparzer trifft auf Moritz Daffinger und Alfred Adler auf Selma Kurz. Und neben Haydn oder Napoleon tauchen ebenso auf: Johann Knapp, Joseph Lanner und Sophie Schröder. Natürlich ist es auch kein Zufall, dass die Namenliste der um 1809 herum Gruppierten nur fünf weibliche Namen umfasst, während es um 1912 schon siebzehn sind.
So ist diese U-Bahn-Station erfüllt von vielen Echos. Ein Resonanzraum der Geschichte, aber ebenso ein machtvolles Plädoyer für die Imaginationskraft des Individuums, das sich aus dem, was ist, und dem, was sein könnte, seine eigene Wirklichkeit baut. Oder wie sagt jener Kartograf, den wir hier zum letzten Mal zu Wort kommen lassen: „Wo Es war, soll Ich werden.“
1 Jean Baudrillard, Simulacres et Simulation, Paris: Editions Galilée 1981, S. 27.
2 Zur Entwicklung der Kartografie vgl. auch Stephan Berg, Im Labyrinth der
Kartografie, in: Die Sehnsucht des Kartografen / The Cartographer’s Longing, hg.
von Stephan Berg und Martin Engler, Ausst.-Kat. Kunstverein Hannover (13.
Dezember 2013 – 1. Februar 2014), Hannover 2013, S. 4–6.
3 Gilles Deleuze und Félix Guattari, Rhizom, Berlin: Merve 1977, S. 14, 21;
später als Einleitung zu Gilles Deleuze und Félix Guattari, Tausend Plateaus
[1980]. Kapitalismus und Schizophrenie II, Berlin: Merve 1992.